Nahrungsergänzung  bei  Huntington

Bedeutung, Möglichkeiten und Empfehlungen für Huntington-Betroffene


1. Einleitung

 

Richtige Ernährung spielt eine bedeutende Rolle im Leben. Sie ist die wichtigste Grundlage für körperliche, seelische und geistige Gesundheit. Der Volksmund sagt zu Recht: Der Mensch ist, was er isst. Mit anderen Worten: Wer gesund und fit sein möchte, muss sich entsprechend ernähren. Vital und leistungsfähig bis ins hohe Alter zu sein wünscht sich jeder, denn darauf basiert die persönliche Lebensqualität. Die richtige Ernährung leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Dieses Infoblatt informiert vor dem Hintergrund der Huntington-Krankheit über die biochemischen Vorgänge im Körper, die Rolle und Bedeutung der Mikronährstoffe und die Ursachen und Folgen von Nahrungsmängeln. Darüber hinaus gibt es Anregungen für das Umstellen der Ernährung sowie Empfehlungen für die besonderen Erfordernisse von Huntington-Patienten.

 

2. Rolle und Bedeutung der Mikronährstoffe

 

Der Einfluss unserer Nahrung auf unser Wohlbefinden wird meist unterschätzt. Wir neigen dazu, die Komplexität von Lebensmitteln zugunsten einzelner Aspekte zu vernachlässigen. Wenn wir uns Gedanken um die Ernährung machen, dann meist um Fett und Kalorien in der guten Absicht, gesund zu leben und unser Gewicht unter Kontrolle zu halten. Statistischen Erhebungen zufolge nimmt lediglich ein Bruchteil der Bevölkerung die empfohlene Menge an Obst und Gemüse zu sich. Eine Ernährungsform mit Verzehr großer Mengen Obst und Gemüse, um die ausreichende Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen sicherzustellen, entspricht offensichtlich nicht den in Deutschland oder Österreich üblichen Verzehrmustern. Wir essen und trinken zu viele industriell verarbeitete Nahrungsmittel, die zwar appetitlich aussehen und gut schmecken, aber arm an Nährstoffen sind. Diese Fehlernährung beginnt oftmals im Kindesalter. Die Kenntnis über den Zusammenhang zwischen optimaler Ernährung und Gesundheit ist verloren gegangen. Wer jedoch gesund bleiben möchte, sollte einige wichtige Gesichtspunkte beachten.

 

Zum Erhalt der Gesundheit muss der Mensch mit der Nahrung in einem bestimmten Mengenverhältnis rund 90 verschiedene Nährstoffe aufnehmen. Es handelt sich zum einen um die sogenannten Makronährstoffe Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate, die uns Energie liefern. Zum anderen geht es um die sogenannten Mikronährstoffe, die für die richtigen, reibungslosen Funktionsabläufe und somit für die Gesundheit der Zellen sorgen. Daher werden diese auch „Vitalstoffe“ genannt (nach dem lateinischen vita = Leben), was ihre Bedeutung treffender abbildet, denn es handelt sich um Nahrungsbestandteile, die für uns Menschen lebensnotwendig sind. Zu dieser Gruppe gehören Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Enzyme und eine Anzahl weiterer Substanzen. Da die Ernährungswissenschaft eine noch junge Forschungsrichtung ist, wusste man lange Zeit nichts über die tatsächliche Funktion dieser Mikronährstoffe. Auch heute gehört ihre lebenswichtige Bedeutung keineswegs zum Allgemeinwissen. Sie setzt sich selbst in der Ärzteschaft erst allmählich durch. Doch bietet z.B. die orthomolekulare Medizin (Mikronährstoff-Medizin) längst wissenschaftlich untermauerte Fakten.

 

Demnach ist jeder einzelne Nährstoff lebenswichtig, und zwar so, dass ein länger andauernder Mangel bei einem Einzigen von ihnen, z.B. dem Vitamin C, zu Krankheit und zum Tod führen kann (bei diesem Beispiel Skorbut). Der Körper besitzt zwar die erstaunliche Fähigkeit, bei Engpässen und Mängeln in der Nährstoffversorgung seine Grundfunktionen eine Zeitlang aufrecht zu erhalten. Dies geschieht nach einer körpereigenen Rangfolge, wonach lebenswichtige Funktionen und Organe zuerst versorgt werden, gegebenenfalls zu Lasten anderer Organe, die weniger wichtig sind. Er bedient sich z.B. bei Calciummangel in der Nahrung am Calcium aus den Knochen. Das kann jedoch zu Osteoporose führen. Außerdem wirken Nährstoffe im Verbund, selten als Monosubstanz. Sie ergänzen sich und bedingen einander, um in verschiedenen Systemen des Stoffwechsels ihre Aufgabe übernehmen zu können. Es wäre sinnlos, z.B. nur Vitamine zu sich zu nehmen und die Mineralstoffe zu vernachlässigen oder umgekehrt. In der Natur gibt es schließlich keine Nahrung, die nur ein bestimmtes Element enthielte. Ein Apfel beispielsweise enthält nicht nur Vitamin C, sondern eine Fülle von Vitalstoffen. Wenn diese nicht in ausreichender Menge zugeführt und stattdessen die Speicher im Körper entleert werden, entstehen zunächst allgemeine Mangelsymptome wie verminderte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit, Reizbarkeit Anfälligkeit für Erkrankungen, vermindertes Dunkelheitssehen oder Kopfschmerzen. Schon am Aussehen kann sich ein Minus in der Vitalstoffbilanz bemerkbar machen, beispielsweise durch schlechte Haut, brüchige Nägel oder glanzloses Haar. Wenn die Ursache solcher Symptome nicht erkannt wird, kann es im Weiteren zu nicht umkehrbaren Schädigungen von Gewebe und Organen kommen. Am Ende eines jahrelangen Mangels an Mikronährstoffen stehen gefährliche klinische Symptome, Erkrankungen und Leiden.

 

Ursachen für Nahrungsmängel

Abgesehen davon, dass der Körper mit Ausnahme der Vitamine D und K keine Vitamine und keine Mineralstoffe bilden kann, werden viele lebenswichtige Mikronährstoffe dem Körper durch die heute übliche Ernährung nicht oder nicht mehr in ausreichender Menge zugeführt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Untersuchungen zeigen, dass trotz maßloser Überdüngung zunehmend ausgelaugter Böden Obst und Gemüse heute erheblich weniger Mikronährstoffe enthalten, als noch vor wenigen Jahrzehnten. Verschärft wird dies durch lange Transport- und Lagerzeiten. Schadstoffbelastung in den Lebensmitteln durch Umweltgifte, sauren Regen, Schädlingsbekämpfungsmittel, Kunstdünger, Frühernte unreifer Früchte, die künstlich nachgereift werden, industrielle Verarbeitung mit Bestrahlen, Begasen und Sterilisieren, zunehmender Einsatz von künstlichen Zusatz- und Konservierungsmitteln, einseitige Ernährung, falsche Essgewohnheiten (zu viele Fette und Kohlehydrate, zu wenig Mikronährstoffe), unpassende Zubereitung (Mikrowelle) und qualitativ minderwertige Nahrungsmittel (insbesondere raffinierter Zucker und Weißmehl) leisten ein Übriges. Auch durch fortgeschrittenes Alter, schädigende Umwelteinflüsse, ungesunde Lebensweise (Rauchen, Alkohol, Stress), mangelnde Bewegung, Erkrankungen, Medikamenteneinnahme und andere Faktoren kann der tägliche Bedarf an Vitalstoffen so steigen, dass er selbst mit gesunder, ausgewogener Mischkost nicht gedeckt werden kann. Dies gilt für alle Menschen.

 

Weit mehr gilt dies für Huntington-Patienten, weil diese krankheitsbedingt in ihrer Ernährung den vorgenannten Einschränkungen stärker unterworfen sind. Dabei geht es zum einen um die hohe Zufuhr an körperfremden chemischen Substanzen in den zahlreichen Medikamenten, die ein solcher Patient nehmen muss. Arzneien, obwohl notwendig, können ernährungsbezogen ungesund sein, weil sie die Aufnahmefähigkeit von Nährstoffen verschlechtern oder diese dem Körper entziehen. Dies führt dazu, dass mit der Zeit zu dem eigentlichen Leiden weiterer Schaden entsteht, der die Gesundheit zusätzlich beeinträchtigt (die beschönigend genannten unerwünschten Wirkungen). Beispielsweise kann eine kleine Menge Acetylsalicylsäure (ASS; häufiger Bestandteil von Schmerzmitteln) die Ausscheidung von Vitamin C vervielfachen, Antidepressiva entziehen dem Körper Vitamin B12 und Co-Enzym Q10, und Antibiotika vermindern die Verfügbarkeit nahezu aller B-Vitamine. Diese fehlen dann dort, wo sie notwendig sind. Zum anderen geht es um die wegen Kau- und Schluckproblemen in aller Regel unausgewogene Ernährung (z.B. Mangel an frischem Ost und Gemüse). Da der Körper die Vitalstoffe nicht selbst herstellen kann, müssen sie ihm regelmäßig und in ausreichender Menge zugeführt werden. Die Ergänzung der Nahrung mit Mikronährstoff-Präparaten hat deshalb in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Aus diesem Grund soll auf die maßgeblichen biochemischen Vorgänge näher eingegangen werden.

 

Erkrankungen durch Nahrungsmängel

Ein Mensch besteht aus Milliarden von Zellen. Diese Zellen erkranken durch mangelnde Versorgung oder zugeführtes Gift. Mit anderen Worten: werden die Körperzellen nicht umfassend versorgt und erleiden sie Mangel, oder werden sie mit schädigenden Stoffen belastet, dann werden wir krank. Der Mensch erkrankt nicht, weil Medikamente fehlen. Er erkrankt, weil im Körper biochemische Störungen ablaufen, meist verursacht durch ungenügende Funktion des Immunsystems aufgrund unzureichender Ernährung. Solche Fehler entstehen meist schleichend und zeigen ihr Resultat zeitversetzt. Ein Jahr, Jahrzehnte oder lebenslanger Mangel an Mikronährstoffen ist nachweislich die Ursache vielfältiger Krankheiten. 70 Prozent chronisch verlaufender Erkrankungen werden heute als ernährungsbedingt eingestuft. Das ist erwiesen und unbestritten. Obwohl die Medizin immer fortschrittlicher und die Behandlungsmethoden immer aufwendiger werden, nimmt die Zahl der sogenannten Zivilisationskrankheiten zu. Dazu gehören Allergien, Krebs, Herz-/Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Übergewicht und vorzeitige Alterserscheinungen. Der Mangel an B-Vitaminen beispielsweise kann Herz-/ Kreislauf- und Krebserkrankungen begünstigen, eine Unterversorgung mit den Vitaminen D und K das Risiko für Osteoporose und zahlreiche andere Erkrankungen erhöhen. Oder positiv ausgedrückt: erhöhte Vitamin-C-Spiegel senken Infarktrisiko (Arteriosklerose) und Bluthochdruck, erhöhte Zufuhr von Zink verkürzt grippale Infekte und fördert Wundheilung, Magnesium sorgt für regelmäßigen Herzschlag, eine Kombination aus Betakarotin, Vitamin E und C senkt die Sterblichkeit bei Krebs, erhöhte Vitamin-E-Spiegel lindern rheumatische Prozesse und B-Vitamine können in hoch dosierter Form zu einer Verlangsamung des Abbaus von Gehirngewebe führen. Wie geschieht das und worauf sollten wir achten?

 

Während der Stoffwechselprozesse im menschlichen Körper, beim Sonnenbaden (UV-Strahlen), durch Röntgen, Umweltgifte, chemische Nahrungsmittelzusätze, Alkohol, Nikotin und Stress entstehen in jeder Zelle sogenannte „Freie Radikale“. Dies sind Sauerstoffverbindungen, deren Molekülen ein Elektron fehlt. Normalerweise sind Elektronen immer paarweise vorhanden, bei den Radikalen sind sie es jedoch nur einzeln. Das macht sie instabil, aggressiv und bestrebt, das fehlende Elektron einem anderen Atom zu entreißen, um den instabilen Zustand auszugleichen. Das angegriffene Atom wird geschädigt und setzt seinerseits diesen Prozess fort. Somit entstehen immer neue Radikale. Diese werden auch Oxidantien genannt, weil sie Stoffe oxidieren lassen, beispielsweise offene Butter ranzig oder angeschnittene Äpfel braun. Im Körper kommt es zu einer regelrechten Kettenreaktion und in deren Folge zu einem Zuviel an freien Radikalen. Diese Stoffwechselsituation bezeichnet man als Oxidativen Stress. Zwar benötigt der Körper ein gewisses Maß an freien Radikalen, zum Beispiel zum Abtöten gefährlicher Bakterien mit Hilfe des Immunsystems, und solange er über genügend Anti-Oxidantien verfügt, sind freie Radikale kein Problem. Doch wenn zu viele freie Radikale gebildet werden, entstehen Schäden. Entscheidend für eine gesunde Zellfunktion ist ein Gleichgewicht zwischen oxidativen und anti-oxidativen Faktoren.

 

Da die freien Radikale die ihnen fehlenden Elektronen aus fast allen Biomolekülen des Körpers „rauben“ und sich deren Eigenschaften und Funktionen dadurch verändern können, stellt der Oxidative Stress eine Gefahr für den gesamten Organismus dar. Er setzt Mechanismen in Gang, die ursächlich an der Entstehung einer Vielzahl von Erkrankungen angesehen werden. Dazu gehören neben den oben Genannten unter anderem Herzinfarkt, Schlaganfall, neurodegenerative Prozesse (zum Beispiel Demenz), grauer Star, Macula-Degeneration (Verlust der Sehfähigkeit) oder Durchblutungsstörungen (Raucherbein). Die Radikalen können auch mit dem Zellkern oder der Erbinformation (DNS) reagieren. Das kann im schlimmsten Fall Veränderungen der genetischen Information zur Folge haben. Das heißt, dass die ursprüngliche Erbinformation zerstört wird und Zellen unkontrolliert wachsen und wuchern können. Das ist die Entstehung von Krebs.

 

Besonders empfindlich gegenüber oxidativen Schädigungen ist das zentrale Nervensystem (Gehirn). Das liegt daran, dass Nervengewebe reich an leicht oxidierbaren ungesättigten Fettsäuren, der Gehalt an Anti-Oxidantien dagegen gering ist. Insgesamt sind freie Radikale somit Gefäß- und Zell-Zerstörer, und sie gelten als Hauptverdächtige, wenn es um Krebs geht sowie um das Älterwerden allgemein. Der Schutz vor einem Übermaß an freien Radikalen ist deshalb lebensnotwendig.

 

3. Biochemie und Huntington

 

Oxidativer Stress spielt tatsächlich bei fast allen neurodegenerativen Krankheiten (Alzheimer, Parkinson, Huntington) eine Rolle, und es wurden jeweils Anzeichen einer Beteiligung von freien Radikalen an den krankmachenden Prozessen nachgewiesen. Obendrein kann Zellschädigung, die ursprünglich durch die Gen-Veränderung der Huntington-Krankheit verursacht wurde, durch Oxidativen Stress noch verschlimmert werden und auf diese Weise das Fortschreiten der Krankheit beschleunigen. Es ist wichtig zu wissen, dass das Ausmaß der Schädigungen durch Oxidativen Stress bei Zellwänden, Proteinen, Fettsäuren, DNS usw. mittels spezieller Laboranalysen des Blutes exakt bestimmt und durch gezielte Gabe von Mikronährstoffen behandelt werden kann.

 

Diese schützenden Mikronährstoffe nennt man deshalb Anti-Oxidantien. Sie sind in der Lage, die freien Radikale unschädlich zu machen beziehungsweise sie zu neutralisieren, indem sie ihnen ein Elektron zurückgeben und die aggressiven Sauerstoffverbindungen zu stabilen, nicht zellschädigenden Stoffwechselprodukten umformen. Damit verhindern sie Schaden an unseren Zellen und unterbinden negative Einflüsse auf den menschlichen Organismus und seine Organe. Anti-Oxidantien sind der Schutz gegen vorzeitige Alterung, Schlaganfall, Krebs und zahlreiche andere Leiden. Vertreter dieser Gruppe sind vor allem die Vitamine A, C und E, Beta-Karotin, Co-Enzym Q10, Zink, Selen und Kupfer. Jede Hausfrau kennt dies aus Erfahrung: wenn man Äpfel in Stücke schneidet, werden die Schnittstellen braun – sie oxidieren. Träufelt man Zitronensaft darüber, geschieht dies wegen des darin enthaltenen Vitamin C nicht. Es wirkt als Anti-Oxidans.

 

Ähnlich verläuft dies im Körper. Dazu werden Spurenelemente wie Selen, Zink und Kupfer sowie die vorgenannten Vitamine und Mineralstoffe benötigt. Diese müssen täglich mit der Nahrung zugeführt werden, da der Körper sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht herstellen kann. Basierend auf dem derzeitigen Stand der Forschung gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass anti-oxidativ wirksame Substanzen einen positiven Effekt auf den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen ausüben können, insbesondere in deren Frühstadium. Aus diesem Grund wird derzeit ein Medikament entwickelt, das auf Basis dieser biochemischen Effekte wirken soll. Bis dieses verfügbar ist, kann eine Mikronährstoff-Therapie, welche die Zahl der freien Radikale (und damit den Oxidativen Stress) in den Zellen verringert, zur Abschwächung einiger Symptome der Krankheit beitragen und unter Umständen das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.

 

Spezielle Vitalstoffe für Huntington-Betroffene

Vor diesem Hintergrund sind – neben den vorgenannten Mikronährstoffen – vier natürliche Substanzen zu nennen, welche bezüglich Zellschutz für Huntington-Patienten eine herausragende Wirkung besitzen: Alpha-Liponsäure, Acetyl-l-Carnitin, Kreatin, Omega 3 Fettsäuren und das Co-Enzym Q10. Sie verdienen zusätzliche Erläuterung.

 

Alpha-Liponsäure (auch Thioctsäure genannt) ist eine Substanz mit vitaminähnlichen Eigenschaften. Der Körper kann sie in begrenzten Mengen herstellen und nimmt sie gleichzeitig mit der Nahrung auf (sie ist vor allem in Fleisch enthalten). Die Bedeutung der Liponsäure liegt in ihrer starken anti-oxidativen Wirksamkeit, ihrer hohen Schutzfunktion für das Nervensystem und der Fähigkeit zur Entgiftung von Schwermetallen. Aufgrund ihres Schutzpotentials wird Alpha-Liponsäure bei Erkrankungen empfohlen, die mit Nervenschädigungen einhergehen (z.B. bei Demenz). Bei Huntington-Mäusen hat Alpha-Liponsäure die Überlebensfähigkeit signifikant erhöht. Insofern liegt der Schluss nahe, dass sie beitragen kann, auch bei Menschen positive Wirkung zu zeigen und das Fortschreiten der Huntington-Krankheit zu verlangsamen.

 

Acetyl-l-Carnitin, ein weiterer Nervenschutzfaktor, ist am stärksten in Gehirnzellen vertreten und steigert dort die funktionellen Leistungen des Gehirns. Es verbessert die Reizübertragung durch Nervenbotenstoffe und erhöht die Zellenergie. Carnitin spielt aufgrund seiner Fähigkeit zur Regeneration der Nervenzellen eine wichtige Rolle und wird zu diesem Zweck ebenfalls bei neurodegenerativen Erkrankungen und Funktionsstörungen eingesetzt, z.B. bei kognitiven Störungen. In einer Studie im Zusammenhang mit Huntington konnte ebenfalls, wie bei Alpha-Liponsäure, die Verzögerung des Verfalls von Zellen nachgewiesen werden. Carnitin ist vor allem in Fleisch enthalten.

 

Kreatin ist eine Aminosäure, die unter anderem zur Versorgung der Muskeln mit Energie beiträgt. Sie wird teils vom Körper erzeugt, teils mit der Nahrung aufgenommen, vor allem mit Fleisch und Fisch. In der Medizin wird Kreatin z.B. bei der Behandlung von diversen Muskelkrankheiten eingesetzt. Klinische Studien an Patienten mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen (Parkinson, Huntington) haben bei diesen Krankheiten das Potential von Kreatin als wertvolle Zusatztherapie aufgezeigt. Da Huntington-Patienten häufig an Energiedefiziten leiden, kann bei ihnen die Gabe von Kreatin Erschöpfung vermindern. Außerdem kann es die Zellmembranen stabilisieren und zum Zellschutz beitragen. Mehreren Studien zufolge hat Kreatin Gehirnschäden verringern und das Fortschreiten der Krankheit für eine Zeitlang verzögern können. Weitere Untersuchungen sind jedoch beendet worden, weil die Ergebnisse nicht dem gewünschten Umfang entsprachen.

 

Der vierte Mikronährstoff in diesem Zusammenhang ist das eingangs erwähnte Co-Enzym Q10 (Ubichinon bzw. die aktive Form Ubichinol), ebenfalls eine natürliche, vitaminähnliche Substanz. Medizinisch wird es hauptsächlich bei Herzinsuffizienz zur Verbesserung der Herzleistung eingesetzt. Q10 wird ebenfalls im Körper produziert, wobei die höchste Q10-Konzentration das Herz aufweist. Die Produktion lässt ab dem 20. Lebensjahr nach, und mit zunehmendem Alter kommt es zu einer erheblichen Verminderung des Q10-Gehalts. Deshalb ist der Organismus mit steigendem Lebensalter auf vermehrten Konsum von Q10-haltigen Lebensmitteln (Fleisch, Eier, Weizen- und Maiskeimöl) bzw. entsprechenden Präparaten mit Q10 angewiesen. Dies zu wissen ist gerade für Huntington-Patienten wichtig, weil bei ihnen der Q10-Spiegel im Gehirn ohnehin niedriger ist als im Durchschnitt und mit fortschreitender Krankheit weiter absinkt.

 

Q10 wirkt auf zweierlei Weise. Zum einen ist es ein wichtiger Nährstoff für die Mitochondrien; dies sind die „Energiekraftwerke“ der Zellen. Dort wird die Energie erzeugt, die unser Organismus für alle Stoffwechselabläufe kontinuierlich benötigt. Wenn sie nicht richtig arbeiten, können die Zellen geschädigt werden und eine Reihe von Krankheiten entwickeln. Dieser Vorgang trägt eventuell auch zum Zellsterben bei der Huntington-Krankheit bei. Zum anderen reagiert Q10 unmittelbar auf freie Radikale und neutralisiert sie als Anti-Oxidans, sodass sie keinen Schaden verursachen können. Insofern ist es unentbehrlich auch für ein kräftiges Immunsystem. Insgesamt hilft die ergänzende Zufuhr dieses Co-Enzyms Schäden durch Oxidativen Stress zu begrenzen und den Energie-Stoffwechsel zu verbessern. Auf Huntington bezogene wissenschaftliche Studien zeigten einen positiven Trend dahingehend, dass einige Symptome der Krankheit zumindest verzögert werden konnten. Bei Mäusen führte es zur signifikanten Verlängerung des Lebens sowie zur Verzögerung des Verlustes der motorischen Fähigkeiten und der Gehirnsubstanz. Da sich die Wirkung von Q10 bei Patienten leider nicht im gleichen Maße gezeigt hat, wurden weitere Studien dazu eingestellt.

 

Umstellen der Ernährung

Wir sind gesund, wenn die Zellen gesund sind. Die Zellen sind gesund, wenn sie alle natürlichen Substanzen zur Verfügung haben, die sie benötigen, um ihre Funktion richtig zu erfüllen. Insofern steuern Mikronährstoffe unsere Gesundheit. Prophylaktisch-therapeutisch die beste Möglichkeit, einen ausgeglichenen Zustand zwischen Oxidantien und Anti-Oxidantien zu erzielen, ist ein ausgewogener Lebensstil. Dazu zählt – neben körperlicher Aktivität – das Umstellen auf eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung, mit der eine Kombination aus vielen Anti-Oxidantien aufgenommen wird. Im Vordergrund einer solchen Ernährung stehen Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollwertprodukte sowie die erhöhte Zufuhr ungesättigter Fettsäuren. Das Vermeiden von Rauchen und Alkoholkonsum sowie das Weglassen unnötiger (ungesunder) Nahrungsmittel, also raffinierter und prozessierter Lebensmittel, die den Blutzuckeranstieg fördern, unterstützt dies. Ergänzend sei erwähnt, dass man neben Vitalstoffen die ausreichende Zufuhr von Proteinen (Eiweiße) nicht vergessen sollte. Diese werden häufig in zu geringem Umfang aufgenommen, sind aber für Aufbau und Erhalt der Muskelmasse unabdingbar und können Muskelschwund, dem gerade Huntington-Patienten auch wegen mangelnder Bewegung langfristig unterworfen sind, entgegenwirken.

 

Wer langfristig gesund bleiben möchte, kann und sollte noch mehr tun. Als erste Maßnahme geht es um eine Basisversorgung: die tägliche umfassende Nährstoffversorgung durch Aufwerten der Nahrung mittels Einnahme eines qualitativ hochwertigen Kombinationspräparates aus Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Dies dient einerseits der Vorsorge, also dem Vermeiden von Erkrankungen. Andererseits lassen sich damit Ungleichgewichte, die zu Erkrankungen geführt haben, korrigieren. Eine präventive oder gar therapeutische Wirkung ist allerdings nur zu erzielen, wenn die Substanzen hoch genug dosiert sind. Als zweite Maßnahme, sofern trotz vorgenannter Allgemeinversorgung gesundheitliche Probleme vorhanden sind, geht es um die Zufuhr spezifischer Stoffe, die gezielt gegen ein bestehendes Problem eingesetzt werden. Welchen bestimmten Mikronährstoff man für seine Beschwerden benötigt und in welcher Dosierung, darüber sollte man sich von Arzt oder Apotheker beraten lassen oder zumindest in der Fachliteratur informieren.

 

Dosierung der Vitalstoffe

Da Nahrungsergänzungsmittel vor allem langfristig wirken, sollte man nicht erwarten, dass infolge jahrelanger Mängel entstandene Defizite oder Krankheiten in wenigen Tagen zu beheben oder zu heilen seien. Ein solcher Umkehrprozess lässt sich nur bei regelmäßiger Langzeitanwendung in ausreichend hoher, medizinisch nachhaltig wirksamer Dosierung der notwendigen Nährstoffe erzielen. Das ist sinngemäß wie beim Zähneputzen: wenn man es unterlässt, fallen die Zähne nicht nach kurzer Zeit aus, wohl aber nach einigen Jahren. Man spürt die Einnahme von Vitalstoffen auch nicht gleich anderntags, doch eine tägliche kleine Dosis über einen längeren Zeitraum zeigt große Wirkung. Vitamine & Co sind essentielle Nährstoffe, und wenn sie in der richtigen Dosierung über Jahre eingenommen werden, können sie eine Vielzahl von Krankheiten verhindern. Beeindruckend sind persönliche Erfahrungen: dass körperliche Beschwerden allein durch Nahrungsergänzungsmittel verschwinden – ohne Chemie.

 

Aus medizinischer Sicht abzuraten ist von einer willkürlichen Einnahme von Mikronährstoffen „nach Gefühl“. Zwar ist Nahrungsergänzung mit Vitalstoffen in der richtigen Dosierung gesundheitlich unbedenklich. Im Gegensatz zu weltweit Tausenden von Toten jährlich durch Arzneimittel gibt es keinen einzigen dokumentierten Todesfall durch Vitalstoffe. Deshalb sollte man sich durch Medienberichte über Unsinn und Nicht-Nutzen oder über angebliche Schäden, die Nahrungsergänzungsmittel verursachen, nicht verunsichern lassen. Dahinter stehen meist handfeste kommerzielle Interessen, denn Vitalstoffe verderben das Geschäft mit der Krankheit. Doch ähnlich wie bei Medikamenten muss bei einigen Mikronährstoffen (Vitamine A, D und K) eine Überdosierung vermieden und auf eine natürliche Kombination geachtet werden.

 

Dessen ungeachtet sind die meisten der offiziellen Zufuhrempfehlungen selbst für gesunde Menschen zu niedrig angesetzt, denn sie wurden nicht mit dem Ziel einer Verbesserung der Lebensqualität oder therapeutischer Ergebnisse ermittelt, sondern zum Vermeiden von Mangelkrankheiten (ursprünglich Skorbut). Auch die weiter oben genannten Faktoren für erhöhten Bedarf an Vitalstoffen (Alter, Umwelteinflüsse, Krankheit, Medikamenteneinnahme usw.) haben bei der Festlegung keinen Eingang gefunden. Die unterschiedliche Wirksamkeit zwischen diesem historischen Ansatz, aktuell empfehlenswerten Dosen zur Optimierung der Gesundheit oder therapeutischen Werten ist enorm. Sie ist vergleichbar mit der Kluft zwischen der Leistungsfähigkeit eines Menschen, der am Rande einer Krankheit steht, und der eines Leistungssportlers. Insofern müssen die allgemein empfohlenen Tagesdosen, die der Prophylaxe dienen, zum Zwecke der optimierten oder gar therapeutischen Wirkung um ein Mehrfaches höher angesetzt werden (bei Vitamin C zum Beispiel statt 100 mg/Tag eine tägliche Dosis von 500 bis 1.000 mg/Tag, therapeutisch sogar 10.000 Milligramm und mehr, Letzteres per Infusion). Welchen bestimmten Mikronährstoff man für seine Beschwerden benötigt und in welcher therapeutischen Dosierung, dazu sollte man sachbezogene Information einholen. Zu der gibt es zahlreiche Fachliteratur. Besser ist die zusätzliche Rücksprache mit dem Hausarzt. Optimalerweise sollten Laboranalysen und gezielte Gabe dieser Nährstoffe von einem in orthomolekularer Medizin spezialisierten und erfahrenen Arzt verordnet und überwacht werden. Solche Spezialisten sind unter diesem Stichwort leicht im Internet zu finden.

 

4. Bedeutung für Huntington-Patienten

 

Im Mittelpunkt der Suche nach Heilung oder zumindest Besserung der Huntington-Krankheit steht in der Schulmedizin die Erforschung von Medikamenten. In deren Schatten – und häufig übersehen – verlaufen zahlreiche Studien über die Wirkung von Mikronährstoffen und Anti-Oxidantien auf die Erkrankung, davon viele mit positiven Ergebnissen. Während auf ein wirkungsvolles, klinisch erprobtes Heilmittel gewartet wird, und da es keine speziellen „Huntington-Lebensmittel“ gibt, haben sich viele Betroffene entschieden, wichtige Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) bereits einzunehmen, selbst diejenigen, die unter dem Aspekt Huntington noch eingehender erforscht werden. Auf diese Weise können sie deren unzweifelhaft vorhandenes präventives und therapeutisches Potential nutzen, zumal die meisten von ihnen rezeptfrei in Apotheken oder im Fachhandel zu beziehen sind.

 

Die Ergänzung unserer Nahrung mit Mikronährstoff-Präparaten spielt – wie aufgezeigt – gerade für Huntington-Patienten eine wichtige Rolle. Demnach ist die Gabe von Anti-Oxidantien und anderen Mikronährstoffen auf jeden Fall eine sinnvolle, komplementär-medizinische Behandlung zur Prävention und zur Therapie von Krankheiten, gegebenenfalls ergänzend zu bewährten schulmedizinischen Behandlungsmethoden. Eine solche Therapie mit Mikronährstoffen besitzt vor allem den Vorzug, dass sie, im Vergleich mit synthetischen Arzneimitteln, eine praktisch nebenwirkungsfreie, wirksame und sichere Alternative darstellt.

 

Eine endgültige Beurteilung der Wirkung einiger solcher Substanzen auf die Huntington-Krankheit wird erst möglich sein, wenn weitere klinische Erprobungen abgeschlossen sein werden. Daher werden manche Ärzte, wenn man sie konsultiert, nicht immer bereit sein, diese Mikronährstoffe zu empfehlen (leider auch wegen Unkenntnis). Andererseits sollte ein Arzt auf Nachfrage zumindest ein potentielles Risiko und mögliche Nebenwirkungen bewerten können. Es bleibt dann der Entscheidung des Patienten überlassen, ob er den Versuch für Wert erachtet, diese Vitalstoffe zu sich zu nehmen: zum einen, um Zeit zu gewinnen, bis ein Durchbruch in der Forschung wirkungsvollere Mittel zutage bringt, zum anderen, um Linderung zu erfahren, bis eine Heilung möglich ist. Bis dahin kann selbst ein geringer Effekt, den ein untersuchter Stoff leistet, die Lebensqualität spürbar erhöhen.

 

Insgesamt zeigen die Ergebnisse vieler Studien, dass Huntington – zumindest für eine Zeitlang – behandelbar ist. Dies gilt vor allem, wenn mit der Behandlung vor Ausbruch oder in einem frühen Stadium der Krankheit begonnen wird. Dass ein Mensch, der dank ausreichender Zufuhr geeigneter Vitalstoffe gesund ist, eine wesentlich bessere Ausgangsposition gegenüber jeder Krankheit hat, dass er bei gegebener Krankheit wirkungsvoller dagegen ankämpfen und mittels gezielter Zufuhr bestimmter natürlicher Substanzen ihr Fortschreiten zumindest verzögern kann, das ist unbestritten und sollte aller Mühen wert sein. Gibt es einen besseren Grund, als in diesem Sinne ernährungsbezogen aktiv zu werden? Das muss jeder für sich entscheiden, aber dafür kann jeder Betroffene und jeder Angehörige selbst sorgen.

 

5. Nachwort

 

Dieser Artikel ist kein Aufruf, sich nicht schulmedizinisch behandeln zu lassen. Es geht vielmehr darum, dass man sich Informationen aus verschiedenen Quellen holen, die Fakten herausfinden und sich nicht nur auf die Aussagen der Schulmedizin verlassen soll. Es geht um das eigene Leben, und deshalb sollte man eigenverantwortlich damit umgehen und die Verantwortung nicht anderen überlassen. Letztlich ist es immer die eigene Entscheidung, welche Behandlung man für sich auswählt, denn niemand außer einem selbst wird die Konsequenzen dafür tragen müssen. Und am Ende zählt nur: wer heilt, hat recht.

 

6. Weiterführende Information

 

- Zum Huntington-Ratgeber - dem kostenlosen Handbuch für den Umgang mit der Huntington-Krankheit - klicken Sie hier auf RATGEBER

- Zum Artikel über richtige Ernährung bei der Huntington-Krankheit klicken Sie hier auf ERNÄHRUNG

- Zum Artikel über Schluckstörungen bei der Huntington-Krankheit klicken Sie hier auf SCHLUCKSTÖRUNGEN

- Eine weitere, allerdings nur englischsprachige Informationsquelle über aktuelle Forschungsergebnisse zu Vitalstoffen ist das Projekt HOPES (Huntington’s Outreach Project for Education at Stanford) der Stanford Universität (Kalifornien, USA). Die Webseite ist im Internet unter

https://web.stanford.edu/group/hopes/cgi-bin/hopes_test/drugs-and-supplements/ zu finden.

 

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Die Infoblätter sind keine Quelle für medizinische, juristische oder finanzielle Ratschläge.

 

Autor: Ekkehart Brückner                                                                                                                                                                                                                                              Stand: Februar 2018