Umgang mit einem kranken


 

Umgang mit einem Kranken

 

Wenn bei einem Familienmitglied, in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis die Diagnose „Huntington“ gestellt wird, wenn bei einem Betroffenen dieses Personenkreises die ersten Symptome auftreten oder die Krankheit bereits fortgeschritten ist – die meisten Menschen wissen nicht, wie sie sich dem Kranken gegenüber verhalten oder was sie sagen sollen. Aus dieser Unsicherheit heraus vermeiden sie den Kontakt mit dem Betreffenden. Für diese Lage gibt es leider keine Patentlösung. Es gibt aber einige Verhaltensempfehlungen, die den Umgang mit einem Erkrankten erleichtern helfen.

 

Kontakt aufnehmen

 

Die eingangs beispielhaft genannten Situationen sind für den Betroffenen einschneidende Ereignisse und Zeiten, in denen er Zuwendung und Fürsorge besonders benötigt, vorzugsweise im persönlichen Kontakt. Das kann ein Besuch zu Hause sein, im Spital, oder an einem davon unabhängigen Ort. Wem eine Begegnung zu schwer fällt, der mag stattdessen anrufen oder anderweitig ein mitfühlendes Zeichen geben, z.B. mit einer Grußkarte, einem Brief oder einer sonstigen lieben und tröstenden Botschaft. Jeder Gruß ist besser als stillschweigendes Fernbleiben.

 

Gespräch führen

 

Der Besuch bei einem Kranken hat immer etwas Beklemmendes an sich. Es ist daher schwierig, geeignete Worte zu finden. Ungeeignet sind jedenfalls gut gemeinte, aber floskelhafte Aussagen wie: „Das wird schon wieder“, „Du schaffst das schon“, „Du musst jetzt stark sein“. Was als Ermutigung und Aufmunterung gemeint ist, drückt eher die eigene Hilflosigkeit aus und der Kranke spürt keine Unterstützung. Anstelle solcher und ähnlicher Floskeln kann ein schlichtes: „Es tut mir so leid“ oder ein aufrichtiges „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“ das empfundene Mitgefühl zeigen. Keinesfalls sollte man ungefragt Tipps oder Ratschläge geben, was der Betroffene tun oder lassen sollte, auch nicht therapeutische, und man sollte dessen Aussagen nicht bewerten.

 

Die Initiative zum Sprechen sollte vom Erkrankten ausgehen. Er muss seine Situation bewältigen und weiß am besten, ob und worüber er sprechen möchte. Vielleicht hat er das Bedürfnis, über seine Ängste und Sorgen sprechen, über die medizinische Behandlung oder über seine Zukunft. Vielleicht möchte er auch einfach nur dasitzen, ohne dass gesprochen wird. Solche gewünschten Sprechpausen, in denen jeder seinen Gedanken nachhängen kann, sollte man respektieren und aushalten. Selbst wenn dabei eine gewisse Spannung entsteht und man nach Worten zu suchen beginnt, um die Stille zu beenden – es empfiehlt sich zu warten, bis der Betroffene wieder Wünsche äußert. Dann lässt sich das Gespräch mit dessen Gesagtem leicht wieder aufnehmen.

 

Grenzen respektieren

 

Ein Kranker verliert einen Großteil seiner Selbstständigkeit. Ärzte, Pfleger, Angehörige und andere bestimmen über Tagesstruktur, Therapien und die vielen Dinge des Alltags. Je nach persönlicher Beziehung sollte man als Besucher daher darauf achten, dass man dem Betroffenen nicht zu nahetritt, auch im übertragenen Sinn. Zu Letzterem ist es ratsam, keine strittigen oder ideologischen Themen anzuschneiden wie Politik oder Religion. Und zu Ersterem sollte man – bevor man sich gleich auf dem Krankenbett niederlässt – fragen, ob man sich zu ihm setzten dürfe. Und wenn man den Betroffenen gerne in den Arm nehmen möchte, weil eine mitfühlende Berührung oder eine liebevolle Umarmung Trost und Unterstützung bieten können, sollte man fragen, ob ihm das recht sei. Die Initiative für eine Berührung sollte jedenfalls von dem Betroffenen ausgehen.

 

Hoffnung bestätigen

 

Kranke und sogar Schwerkranke leben oft in der Hoffnung, dass sie gesunden, dass noch rechtzeitig ein Medikament gegen die Erkrankung gefunden wird, dass sie schmerzfrei bleiben oder dass noch ein Wunder geschieht. Derartige Hoffnungen können Placebo-ähnliche Wirkungen haben und dem Betroffenen seinen Zustand erleichtern. So unrealistisch diese Erwartung einem Außenstehenden erscheinen mag, so soll man nie versuchen, solche Hoffnungen zu nehmen oder umgekehrt sie zu erzeugen. Hilfreich ist es vielmehr, sie sinnvoll zu bestätigen, verbunden z.B. mit einem herzlichen diesbezüglichen Wunsch.

 

Fazit

 

Zum Umgang mit Kranken gibt es leider keine Patentlösung. Und im Fall der Huntington-Krankheit, die stetig fortschreitet und zu einem absehbaren Lebensende führt, wird der Umgang mit dem Betroffenen zunehmend problematischer. Es kommt daher darauf an, anstatt schöner Worte eine Beziehung zu entwickeln, in die sich der Kranke eingebunden fühlt und er sich öffnen und aussprechen kann. Dazu muss man vor allem zuhören, mit Worten und Gesten ausdrücken, dass er nicht alleine ist und man ihn auf seinem Weg begleiten möchte. Und man bewahre ihm seine Hoffnung – bis zum Schluss.

 

 

Die Infoblätter dieser Webseite sind keine Quelle für medizinische, juristische oder finanzielle Ratschläge und dieses Infoblatt ersetzt keine genetische Beratung.

 

Autor: Ekkehart Brückner                     Stand: Nov 2021