Patientenrechte

Gut informiert und bewusst Entscheidungen zu einer medizinischen Behandlung treffen


1. Einleitung

 

Im Verlauf der Erkrankung haben Betroffene der Huntington-Krankheit immer häufiger mit Ärzten und anderen Angehörigen des Gesundheitswesens zu tun. Es ist daher für sie und ihre Angehörigen nicht nur hilfreich, sondern auch wichtig, ihre Rechte als Patient zu kennen. Das versetzt sie in die Lage, sich aktiv an Entscheidungen über medizinische Maßnahmen zu beteiligen und sich informiert und bewusst zu entscheiden. Das vorliegende Infoblatt dient dazu, mit verschiedenen Empfehlungen und Hinweisen eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung zu unterstützen.

 

2. Zustimmung zur Behandlung

 

Zu den Patientenrechten zählt in erster Linie das Prinzip der Einwilligung, also das Verbot von Behandlungen ohne Zustimmung des Patienten. Grundsätzlich darf man nur nach vorheriger Einwilligung behandelt werden. Zu diesem Zweck muss man vorweg in einem persönlichen und ausführlichen Gespräch mit dem behandelnden Arzt in einer für Laien verständlichen Form über die geplanten Maßnahmen aufgeklärt worden sein. Dazu gehören vor allem Vor- und Nachteile der Behandlung, ihre Risiken, Kosten, Alternativen und die Erfolgsaussichten. Auf diese Information hat man einen Anspruch. Erst dadurch wird man in die Lage versetzt, beurteilen zu können, welche Auswirkungen die Behandlung haben kann. Danach kann man selbst bestimmen, ob eine Behandlung vorgenommen und welche Behandlungsmethode gewählt werden soll. Nur mit einem Merkblatt mit Hinweisen auf mögliche Komplikationen muss man sich nicht zufriedengeben und nur, wenn man aufgeklärt wurde und zustimmt, darf der Arzt mit der Behandlung beginnen. Man kann auch eine Behandlung verweigern oder den Abbruch einer begonnenen Behandlung verlangen. Eine Behandlung ohne Einwilligung käme einer Körperverletzung gleich.

 

Das Prinzip der Einwilligung gilt genauso für lebensverlängernde und lebenserhaltende Maßnahmen. In diesem Rahmen kann man selbst über Leben oder Sterben entscheiden. Man kann jedoch von Arzt oder Pflegepersonal nicht verlangen, das Leben durch gezielte Maßnahmen aktiv zu verkürzen oder das Sterben zu beschleunigen. Das ist in Österreich wie in Deutschland nicht zulässig.

 

3. Vorsorgeverfügungen

 

Sollte man wegen der Erkrankung nicht mehr in der Lage sein, rechtswirksam einzuwilligen, muss eine andere Person die Einwilligung erteilen oder verweigern. Falls man kraft Vorsorgevollmacht einen Bevollmächtigten für Gesundheitsangelegenheiten hat, entscheidet dieser. Anderenfalls wird ein Erwachsenenvertreter bestellt, der zuständig wird. Bei der Entscheidung müssen Wünsche, die zuvor zum Beispiel in einer Patientenverfügung niedergelegt wurden, berücksichtigt werden. Liegt eine solche nicht vor, wird der „mutmaßliche Wille“ durch Befragung des Vorsorgebevollmächtigten oder nahestehender Personen ermittelt und danach vom Arzt entschieden. In Ausnahmefällen, wenn psychisch Kranke für sich oder andere eine Gefahr darstellen und eine Behandlung außerhalb eines Krankenhauses nicht möglich ist, kann die Behandlung gegen den Willen des Patienten vorgenommen werden. Es ist daher von Vorteil, wenn man seine Wünsche frühzeitig in einer Vorsorgevollmacht oder einer Patientenverfügung niedergelegt hat.

 

4. Sonstige Rechte

 

Als Patient besitzt man das Recht auf freie Wahl des Arztes und des Krankenhauses. Es ist zulässig, eine Zweitmeinung bei einem anderen Arzt einzuholen. Man hat Anspruch auf sorgfältige Heilbehandlung sowie Pflege und Betreuung gemäß dem aktuellen Stand der Wissenschaft – nicht aber auf eine Erfolgsgarantie. Sollte wegen fehlerhafter Behandlung oder durch Medikamente ein Schaden entstanden sein, kann ein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen. In einem solchen Fall wende man sich an Ärztekammer, Krankenkasse, Patientenanwaltschaft, Konsumentenschutz oder an einen Rechtsanwalt. Diese informieren über das weitere Vorgehen. Dazu kann man jederzeit Einsicht in die Patientenakte und Auskunft über gespeicherte Informationen verlangen oder sich die Behandlungsunterlagen kopieren lassen. Ferner hat man ein Recht darauf, dass Arzt und Pflegepersonal die bei Behandlung und Pflege bekanntgewordenen Informationen und Daten vertraulich behandeln und nicht an unbefugte Dritte weitergeben (ärztliche Schweigepflicht).

  

5. Das Arztgespräch

 

Damit der Arzt erfolgreich behandeln kann, braucht er das Gespräch mit dem Patienten. Allerdings dauert angesichts knapper Kassenhonorare und infolgedessen straff organisierter Arztpraxen ein durchschnittliches Arzt-Patienten-Gespräch nur wenige Minuten. Da bleibt keinerlei Zeit für gemütliche Plauderei. Ganz anders also, als es uns manche Wohlfühl-TV-Arztserie ziemlich realitätsfremd vorgaukelt. Auf dieses Gespräch sollte man sich daher, sofern es über eine bloße Erkältung hinausgeht, sehr gut vorbereiten, um die Zeit wirklich zu nutzen. Dazu gehört eine knappe Darstellung seiner Beschwerden, gegebenenfalls seiner Vorgeschichte, was man bereits unternommen hat, die Auflistung der bislang verordneten Medikamente sowie seines Anliegens, seiner Sorgen, Nöte oder seiner Erwartungen. Zu Ersteren kann man sich die wichtigsten Fakten, zu Letzteren vor allem seine Fragen zurechtlegen.

 

Bezüglich der Fakten empfiehlt es sich, eine chronologisch geordnete Mappe vorzubereiten mit:

 

·         Krankengeschichte (Stichworte) mit Symptomen, Diagnose und Behandlung,

 ·         Arztbriefen,

 ·         Befunden,

·         Röntgen- oder anderen Aufnahmen,

·         einer Medikamentenliste (Name, Dosierung, Einnahmezeiten),

·         ggf. einer Liste mit Nahrungsergänzungsmitteln (Name, Dosierung, Einnahmezeiten).

 

Die Fragen können sich auf alles Wissenswerte zur Krankheit und ihrer Behandlung beziehen, zum Beispiel:

 

·         Was genau habe ich?

 ·         Was kann ich dagegen tun?

 ·         Welche Untersuchungen / Behandlungen gibt es dazu?

 ·         Was kann mit der Behandlung erreicht werden?

 ·         Welche eindeutigen Studienbelege gibt es darüber, dass ich von der Behandlung profitiere?

 ·         Welchem Zweck dient das Medikament / wozu ist es notwendig?

 ·         Wie spüre ich, ob / wann das Medikament wirkt?

 ·         Was sind Anzeichen für eine Verschlechterung?

 ·         Wie lange muss ich das Medikament nehmen?

 ·         Welche Nebenwirkungen / Nachteile / Risiken hat die Therapie / das Medikament?

·         Verkürzt die Behandlung die Dauer der Krankheit / verlängert sie mein Leben?

 ·         Welche Alternativen zum Behandlungsvorschlag gibt es?

·         Was geschieht, wenn ich die Therapie nicht durchführe / abwarte?

·         Würden Sie die empfohlene Behandlung auch an Ihren Kindern / sich selbst vornehmen?

Um möglichst viele Informationen zu anstehenden Untersuchungen, Behandlungen oder Operationen zu erhalten, empfiehlt es sich, möglichst – wie in den vorgenannten Beispielen – sogenannte W-Fragen zu stellen. Diese W-Fragen haben den Vorteil, dass der Arzt darauf nicht mit einem knappen „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, sondern den Sachverhalt genauer erklären muss.

Die Antworten des Arztes und seine Empfehlungen sollte man zweckmäßigerweise notieren (zumindest Stichworte), vor allem ungeläufige Namen von Medikamenten oder Therapien, denn dies sind die ersten Dinge, die man wieder vergisst. Unter diesem Aspekt kann man eventuell eine Person seines Vertrauens bitten, einen zum Arztgespräch zu begleiten und Notizen zu machen, damit man selbst besser in der Lage ist, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Sollte man irgendetwas nicht verstanden haben, darf man sich nicht scheuen, nachzufragen („Wenn ich Sie richtig verstanden habe, …“), besonders, wenn man mit medizinischen Fachausdrücken überhäuft wird. Und man sollte nicht gehen, bevor wirklich alles geklärt ist. Schließlich geht es um die eigene Gesundheit und darum, eine Entscheidung vorzubereiten und treffen zu können, welche die Weiche stellen kann zwischen Krankheit oder Heilung.

 

6. Die Arztwahl

 

Die Suche nach einem guten Arzt ist nicht immer leicht, nicht zuletzt deshalb, weil jeder Patient andere Vorstellungen davon hat. Und so wichtig die fachliche Qualifikation des Arztes auch sein mag, Voraussetzung für ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis ist, dass es zwischenmenschlich stimmt. Ein guter Arzt führt sich heutzutage nicht mehr auf, wie ein „Halbgott in Weiß“. Er leistet einen Dienst und zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass er dem Patienten zuhört, ihn aussprechen lässt, ihn ernst nimmt und Fragen oder Schilderung des Krankheitsbildes nicht einfach abwürgt. Auch nimmt er sich die nötige Zeit, um seine Befunde und die geplante Therapie verständlich zu erklären. Für die vorgeschlagene Behandlung erläutert er Nutzen und Risiken. Dabei beschränkt er sich nicht auf Medikamente, sondern weist gegebenenfalls auf andere Therapiemöglichkeiten hin und lehnt Alternativen zur Standardmedizin nicht kategorisch ab. Ferner diktiert er keine bestimmte Vorgehensweise, sondern bezieht den Patienten in die Überlegungen mit ein und hilft ihm mit der notwendigen Information, sich für eine bestimmte Therapie zu entscheiden. Außerdem akzeptiert er, wenn man sich bei schwerwiegenden Gesundheitsproblemen eine zweite Meinung einholen möchte. Und schließlich erkundigt er sich bei weiteren Besuchen danach, wie die verordneten Maßnahmen angeschlagen haben.

 

Insgesamt kommt es darauf an, sich Therapeuten zu suchen, denen man vertraut. Das sind – neben dem vorgenannten zwischenmenschlichen Aspekt – vor allem diejenigen Ärzte, die viel Erfahrung mit einer Behandlung haben und deren Ergebnisse selbst gesehen haben. Dennoch sollte man bedenken, dass ein Arzt vor allem das empfiehlt, worauf er spezialisiert ist und worüber er verfügt: ein Chirurg beispielsweise wird wahrscheinlich operieren und ein Onkologe eine Chemotherapie verordnen wollen. Bevor also ein Chirurg etwas „wegschneidet“ oder ein Arzt Medikamente verschreibt, deren starke Nebenwirkungen absehbar sind, hole man sich eine zweite Meinung ein. Dabei ist es ratsam, auch an die Therapiemöglichkeiten eines Komplementärmediziners oder Heilpraktikers zu denken. Zumindest sollte man sich anhören, was diese an praktikablen Alternativen anzubieten haben. Wenn man zur vorgeschlagenen Behandlung oder den verordneten Medikamenten Bedenken oder ein ungutes Gefühl hat, sollte man den Arzt offen darauf ansprechen. Und gelingt es trotz allem Bemühen nicht, ein Vertrauensverhältnis zwischen sich und dem Arzt herzustellen, gibt es nur eine Lösung: den Arzt wechseln! Denn wenn die „Chemie“ nicht stimmt, kann auch der Behandlungserfolg nicht optimal sein.

 

7. Statistiken

 

Medizinische Maßnahmen ohne Risiko gibt es nicht, aber ihr Nutzen und ihre Risiken können auf unterschiedliche Weise dargestellt werden. Das kann zu Missverständnissen und Fehleinschätzungen führen. Vorteile einer bestimmten Therapie (oder eines Medikaments) gegenüber einer anderen werden vom Anbieter allzu gern mit Prozentangaben hervorgehoben und „bewiesen“. Dies kann jedoch leicht zu falschen Erwartungen führen. Wenn beispielsweise ein bestimmtes Medikament bei tausend Patienten, die es einnehmen, einem Patienten hilft, ein anderes, neues Medikament, zwei Patienten, dann ist das rechnerisch eine Steigerung um 100 Prozent. Mit dieser Zahl wird verständlicherweise geworben – trotz des zahlenmäßig unbedeutenden Ergebnisses. Zwar ist Letzteres für den einen betroffenen Patienten sehr erfreulich, doch die übrigen 998 nehmen es unnötigerweise mit dem Risiko ein, durch die stets vorhandenen, möglicherweise erheblichen Nebenwirkungen Schaden zu nehmen.

 

Es ist daher angeraten, sich Statistiken über Vor- und Nachteile einer Therapie nicht in Prozentform, sondern in absoluten Zahlen nennen zu lassen. Nur mit diesen kann man einschätzen, wie stark Nutzen und Risiken einer Therapie oder eines Medikamentes tatsächlich sind. Die konkrete Frage sollte also lauten, wie viele Patienten von 100 oder von 1.000 tatsächlich einen Behandlungserfolg erleben beziehungsweise mit bestimmten, schädlichen Nebenwirkungen rechnen müssen. Danach gilt es abzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, ob man zu diesen gehört oder nicht, und abzuwägen, ob die Nebenwirkungen der Behandlung es wert sind oder nicht, das Risiko der Therapie einzugehen. Ein Vergleich der Nebenwirkungen darf daher bei einer solchen Entscheidung nie vergessen werden.

 

8. Fazit

 

Was ist das Fazit aus diesen Hinweisen? Als erstes darf man kein bequemer, vertrauensseliger Patient sein. Man ist ein Kunde, der die Tätigkeit des Arztes durch seine Beiträge an die Krankenkasse oder privat zahlt. Dafür darf man eine angemessene Leistung erwarten. Die sogenannten „Götter in Weiß“ sind auch nur Menschen. Auch ihnen unterlaufen Fehler (früher ehrfürchtig „Kunstfehler“ genannt) und man darf sich ruhig trauen, kritische Fragen zu Diagnose, Therapie und Medikation zu stellen. Je besser man sich vorbereitet, desto besser kann der Arzt sich ein genaues Bild der Beschwerden machen und die richtigen Behandlungsschritte einleiten. Ein wenig Vorbildung und Information können hilfreich sein, um die richtigen (kritischen) Fragen zu stellen. Skepsis ist zum Beispiel bei Medikamenten angebracht, die als neu angepriesen werden. Bei solchen, die einige Jahre auf dem Markt sind, sind zumindest die Nebenwirkungen bekannt(er). Und manche Diagnose zeigt nicht unbedingt eine Krankheit an, sondern allenfalls ein gewisses Risiko, eines Tages daran zu erkranken. In diesem Fall mag zunächst auch ein engmaschiges, abwartendes Beobachten angezeigt sein, anstelle zum Beispiel einer sofortigen Operation.

 

9. Anmerkung

 

Diese Hinweise sind kein Aufruf, sich nicht schulmedizinisch behandeln zu lassen. Es geht vielmehr darum, sich Information aus verschiedenen Quellen zu holen, die Fakten herauszufinden und sich nicht nur auf die Aussagen der Standardmedizin zu verlassen. Es geht um das eigene Leben, und deshalb sollte man eigenverantwortlich damit umgehen und die Verantwortung nicht anderen überlassen. Letztlich ist es immer die eigene Entscheidung, welche Behandlung man für sich auswählt, denn niemand außer einem selbst wird dafür die Konsequenzen tragen müssen. Am Ende zählt für den Patienten:  Wer heilt, hat recht.

 

10. Weiterführende Information

 

- Zum Huntington-Ratgeber - dem kostenlosen Handbuch für den Umgang mit der Huntington-Krankheit - klicken Sie hier auf RATGEBER

- Zur Patientenverfügung bei Huntington klicken Sie hier auf VERFÜGUNG

- Zur Vorsorgevollmacht bei Huntington klicken Sie hier auf VOLLMACHT

- Orientierungshilfe und Nachschlagewerk für Patienten, die sachliche Information, hilfreiche Checklisten und wertvolle Hinweise zur Unterstützung einer  selbstbestimmten Entscheidung suchen, ist die Broschüre Kompetent als Patientin und Patient – gut informiert entscheiden des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger. Sie ist im Internet mit diesem Titel zu finden und kann kostenlos heruntergeladen werden.

 

11. Feedback

 

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Die Infoblätter sind keine Quelle für medizinische, juristische oder finanzielle Ratschläge.

 

Autor: Ekkehart Brückner                                                                                                                                                                                                                                             Stand: Oktober 2019